Les Grandes Dames für Cello
Es war ein wahrhaft mitreißendes Plädoyer für komponierende Frauen des Fin de Siècle und des frühen 20. Jahrhunderts. Am 10. März spielte die Cello-Stipendiatin Marilies Guschlbaur mit der vorzüglichen Pianistin Julia Rinderle in Schloss Engers packende Cellosonaten der Britin Ethel Smyth, der Niederländerin Henriëtte Bosmas und der Französin Rita Strohl.
Freitag, 10.3., 19 Uhr - Schloss Engers: Abendkonzert Les Grandes Dames
Marilies Guschlbauer (Cello) | Julia Rinderle (Klavier)
Ethel Smyth: Cellosonate a-Moll, op. 5
Henriëtte Bosmans: Cellosonate
Lera Auerbach: Postlude aus 24 Preludes, op. 47
Rita Strohl: Sonate dramatique Titus et Bérénice
Les grandes dames für Cello und Klavier
An diesem Abend kam man aus dem Staunen nicht heraus. Das ging den 18 Referentinnen und Referenten der Komponistinnen-Tagung ebenso wie den Kammermusik-Enthusiastinnen und -Enthusiasten, die sich im Dianasaal von Schloss Engers eingefunden hatten: ein unvergesslicher Klangrausch aus dem Fin de siècle, vorgetragen von einer wunderbaren Cellistin und ihrer kongenialen Partnerin am Klavier. Wie Marilies Guschlbauer in den Cello-Kantilenen von Bosmans, Smyth und Strohl schwelgte, wie subtil Julia Rinderle grundierte, Paroli bot und auftrumpfte, ohne das Cello zu bedrängen, war bewundernswert und mitreißend - ein Defilee von Höhepunkten im ständigen Auf und Ab der hoch emotionalen Töne.
Schon die a-Moll-Sonate der Leipziger Musikstudentin Ethel Smyth ließ aufhorchen. Was die Britin mit ihrem geliebten Hund an der Seite und der Aura von englischer Unabhängigkeit ins verkrustete Leipzig des Jahres 1887 an frischem Wind hineintrug, war besonders im Finale zu hören: unbotmäßige Taktwechsel, quirliger Saltarello und ein hochvirtuoser Schlagabtausch zwischen Cello und Klavier. So selbstbewusst wollten die Herren der Gründerzeit die Damenwelt nicht auftrumpfen sehen und hören – wohlgemerkt zu einer Zeit, in der es für Frauen noch als unschicklich galt, das Cello zwischen ihren Knien zu halten! Dass Ethel Smyth, die spätere Suffragette, als junge Frau die Musik von Brahms vergötterte, während sie den Menschen Brahms heftig kritisierte, das war den ersten beiden Sätzen auf eine überaus fantasievolle Weise anzuhören.
Wuchtiger im Zugriff und gewaltiger im Gestus kam die wundervolle Cellosonate der jungen Henriëtte Bosmans daher. Dass die Komponistin aus Amsterdam die Tochter eines Concertgebouw-Solocellisten war, hört man aus jedem Takt ihrer genialen Sonate heraus. 1919 entstanden, wandelt das Werk unverblümt auf den Pfaden der Spätromantik, ist dabei aber so griffig in den Themen, so schlüssig in der Form, so packend in der Dramaturgie, dass man vom ersten Hören schlicht überwältigt wird. Vom großartigen Aufstieg des a-Moll-Maestoso zu Beginn bis zum 5/4-Takt des Finales blüht hier junges Genie in jedem Takt - bravourös komponiert und ebenso bravourös gespielt. Vor der Pause gab es die ersten Bravos für die beiden jungen Künstlerinnen.
Nach der Pause spielte Julia Rinderle zum Postlude von Lera Auerbach versehentlich schon einmal die ersten Akkorde der Cellosonate von Rita Strohl – der perfekte Icebreaker für die zweite Hälfte. Nach dem zitatenreichen Auerbach-Stück erlebte das dankbar schwelgende Publikum bei der Französin Rita Strohl eine seltene Symbiose aus Grande Opéra und Kammermusik. Üppiger könnte eine Cellosonate zwischen Massenet, Franck und Delibes nicht tönen. Rita Strohl war die Tochter einer bekannten Straßburger Landschaftsmalerin, was das Malerische ihrer Musik erklärt. Wovon sie wirklich träumte, war die große Oper: ein fünfteiliger Opernzyklus über keltische Mythen alla Ring des Nibelungen. Ihre Cellosonate von 1892 zeigt, dass sie das Zeug dazu gehabt hätte. Tränenreicher hat auch der große Jean Racine den Abschied der Prinzessin Berenike von Kaiser Titus nicht auf die Bühne gebracht: Schmerzenstöne allenthalben. Weite Cellokantilenen über quasi-orchestralem Klanggrund des Klaviers. Rezitative, Duette, Aufschwünge, Depressionen - ein Riesenbogen mit der Aura der Oper. Die Bravos sind diesem Breitwandkino unter den Cellosonaten sicher, so auch in Schloss Engers.
Langer Applaus für zwei junge Interpretinnen, die sich mit voller Verve und großem Können für die vergessenen Komponistinnen von damals einsetzen und sie mitrießend ins Heute holen.