News

Der junge Brahms, kurz nach seiner Detmolder Zeit.

Brahms an Pfingsten

Die erste Orchesterserenade von Brahms in der Nonett-Fassung ist das prächtige Festtags-Stück zu Pfingsten: Samstag in Mainz, Sonntag in Engers, Montag in Rolandseck.

Pfingstwochenende mit Serenade

Die Villa Musica feiert Pfingsten in diesem Jahr besonders festlich: mit der ersten Serenade von Johannes Brahms. Bei den Pfingstkonzerten in Mainz, Engers und Rolandseck steht nicht die Orchesterfassung auf dem Programm, sondern eine Version für neun Instrumente. So nämlich hat sich der junge Brahms diese prachtvolle Frühlingsmusik ursprünglich gedacht. Rekonstruiert wurde die Urfassung von Jorge Rotter. Der Berliner Klarinettenprofessor Martin Spangenberg führt ein Ensemble aus acht jungen Bläsern und Streichern der Villa Musica durch die mitreißenden Sätze der Serenade.

Ebenso klangschön die erste Konzerthälfte: Mozarts Oboenquartett KV 370, meisterlich gespielt von Christian Wetzel und drei jungen Villa Musica-Streichern, und das Nonett der größten romantischen Komponistin Frankreichs: Louise Farrenc. Mit ihrem Es-Dur-Nonett von 1849 gelang ihr ein großer Wurf auf den Spuren von Beethoven und Berlioz.

Samstag, 27.5., 19 Uhr – Landesmuseum Mainz
Pfingstsonntag, 28.5., 17 Uhr – Schloss Engers
Pfingstmontag, 29.5., 11 Uhr – Arp Museum Bahnhof Rolandseck (Festsaal im Bahnhof)
Christian Wetzel, Oboe | Martin Spangenberg, Klarinette | Junge Bläser und Streicher der Villa Musica
Louise Farrenc: Nonett Es-Dur, op. 38
Wolfgang Amadeus Mozart: Oboenquartett F-Dur, KV 370
Johannes Brahms: Serenade D-Dur, op. 11 (Urfassung als Nonett)

 

Zur ersten Brahms-Serenade

von Karl Böhmer

Serenade Nr. 1 D-Dur, op. 11

1. Allegro molto
2. Scherzo. Allegro non troppo -Trio. Poco più moto
3. Adagio non troppo
4. Menuetto I und II
5. Scherzo. Allegro
6. Rondo. Allegro

Ebba Wallén, Flöte
Martin Spangenberg, Klarinette I
Takahiro Katayama, Klarinette II
Štěpán Vicenec, Fagott
William Santiago Becerra, Horn
Felicitas Schiffner, Violine
Bohumil Bondarenko, Viola
Esther ten Kate, Violoncello
Lisabet Seibold, Kontrabass

Mit 24 Jahren trat Johannes Brahms im Sommer 1857 eine Stelle als fürstlicher Klavierlehrer und Chorleiter in der Lippeschen Residenzstadt Detmold an. Die Bedingungen dieses Engagements waren kurios: Der Fürst hatte beschlossen, an seinem Hof ein kleines, nur aus adligen Damen und Herrn bestehendes Vokalensemble zu gründen, eine Art Madrigalchor. Zur Leitung desselben wurde der junge Brahms auserkoren, da er schon als Leiter des Hamburger Frauenchors Beachtliches geleistet hatte. Nur im Winterhalbjahr musste der junge Hamburger seinen Dienst an den Hängen des Teutoburger Waldes verrichten. Im Rest des Jahres konnte er nach Herzenslust reisen, konzertieren und komponieren.

Die altertümliche Stellung eines hochfürstlichen Kapellmeisters nutzte Brahms zum Studium höfischer Serenaden der Mozart-Zeit, was ihn unmittelbar zu seinen beiden Orchesterserenaden inspirierte, dem op. 11 und op. 16. Sie wurden für die im Residenztheater stattfindenden Abonnementskonzerte komponiert. „Einen großen Teil seiner freien Zeit hatte Brahms in Detmold auf das fleißige und fast alleinige Studium Haydnscher Orchesterpartituren verwendet … Da überdies die vorzüglichen Bläser der Detmolder Hofkapelle beim Vortrage Mozartscher Serenaden ihm ein neues Reich zauberischer Klangwirkungen erschlossen und dem Lernbegierigen bequeme Gelegenheit verschafften, sich näher mit der Natur und dem Gebrauch ihrer Instrumente zu befreunden, so sah er sich in seiner Absicht, zur durchsichtigen Klarheit und Einfachheit instrumentaler Musik durchzudringen, gleichsam von verschiedenen Seiten auf einmal aufgefordert, unterstützt und bestärkt. Der Charakter seiner ersten Serenade … schwankt zwischen der Gattung, zu der sie sich bekennt, der Symphonie und der Kassation hin und her… Ursprünglich wollte er eine Kassation, d. h. eine Musik leichteren Genres, ein Oktett für ein kleines, einfach besetztes Orchester schreiben… Der Symphoniker aber regte sich in ihm und durchkreuzte den Plan; seine Gedanken verlangten reichere Instrumentation und breitere Entwicklung“. (Max Kalbeck)

Diesen Entstehungsprozess der D-Dur-Serenade hat Jorge Rotter 1987 rückgängig gemacht, indem er die Urfassung für neun Instrumente rekonstruierte, die 1859 in Detmold aufgeführt wurde, aber nicht erhalten ist. Rotter schrieb dazu: „Je tiefer man sich in die Orchesterfassung versenkt, desto klarer wird, wieviel Brahms von der ursprünglichen Nonettfassung bewahrte… Da die Orchesterfassung Brahms‘ Intentionen getreu widerspiegelt, diente sie als alleinige Quelle unserer Rekonstruktion.“

In der kammermusikalischen Fassung sind die Verläufe noch klassisch-klarer als im Original, kommt der Charakter einer von den Bläsern dominierten konzertanten Musik unverstellt zur Geltung. wird die Nähe zur Welt der Divertimenti alla KV 131 noch deutlicher, Dies gilt auch und gerade, was die Form der Serenade betrifft. Hier hat sich Brahms von der bunten Welt der klassischen Divertimenti anregen lassen, was gerade im Vergleich mit einem frühen Mozart wie KV 131 deutlich wird. Das einleitende Allegro und das galoppartige Rondo-Finale umschließen ein buntes Gewirr und Geflirr von Tanzrhythmen, die das Adagio umklammern. Manche altertümelnde Menuett-Melodie wurde von Brahms hier in die reiche Harmonik und die Vorhalte seines eigenen Stils eingekleidet und mit Anklängen an Schubert vermählt. Wo im vierten Satz das Menuett aufhört und der Ländler beginnt, bleibt offen. Manches wirkt geradezu wie ein Stilzitat. Wenn gleich zu Beginn das Horn über dem Bordun der Streicher ein Haydneskes Thema anstimmt, ist das große Vorbild des Sinfonikers aus Esterháza nicht zu überhören. Lediglich im ersten Scherzo in d-Moll und im norddeutsch-kühlen Adagio, einer Art nüchternem Notturno, ist Brahms hinter der klassizistischen Maske hervorgetreten und ganz er selbst geblieben.

Karl Böhmer