Das romantische Musikerehepaar schlechthin: Robert und Clara Schumann (Lithographie von Eduard Kaiser, 1847).

Weihnachten in Leipzig 1842

In den Tagen vor Weihnachten 1842 kümmerte sich Robert Schumann nicht um das Treiben auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt, sondern um Einkäufe für Clara und um „Triogedanken“.

Kammermusik-Weihnachten 1842 in Leipzig

von Karl Böhmer

„Wie Ostern so warm.“ Mit diesem lakonischen Satz kommentierte Robert Schumann am ersten Weihnachtsfeiertag des Jahres 1842 in Leipzig die damals schon unberechenbaren Ausschläge des Thermometers in frühlingshafte Höhen. Es sollten festliche Weihnachten werden, gekrönt von einem neuen Klaviertrio, das er am 6. Dezember begonnen hatte.

Stollen an Heiligabend

Noch am 24. Dezember hielt Schumann letzte Ausgaben fürs Fest im Haushaltsbuch fest: „an Klara zu Weihnachten: für das Soireekleid 30 Taler, für ein gewöhnliches Kleid 10 Taler, in Mariens Sparbüchse 5 Taler 12 Groschen, für Stollen 4 Taler“. Der viel beschäftigte Komponist überließ es seiner Frau Clara, sich ihre neuen Kleider als Weihnachtsgeschenke selbst auszusuchen: ein teures für ihre Auftritte als Pianistin in Soiréen, ein „gewöhnliches“ für den Tagesgebrauch. Immerhin hatte er rechtzeitig vor dem Fest noch einige Überraschungen für Clara besorgt: „ein Dutzend Handschuhe, Eau de Cologne und Verschiedenes“. Die kleine Tochter Marie durfte sich über eine Puppe freuen. Die Ausgaben summierten sich, denn der übermäßig fleißige Komponist hatte in seinem „Kammermusikjahr“ 1842 so viele gut gehende Artikel für seine Verleger produziert, dass es sich die Schumanns in ihrem Leipziger Heim gutgehen lassen konnten. Es waren stattliche Weihnachten, und natürlich waren sie auch der Musik gewidmet: Am 28. Dezember findet sich im Haushaltsbuch die kurze Notiz: „Das Trio fertig geschrieben.“

Triogedanken an Nikolaus

Bei jenem letzten Werk des Kammermusikjahres handelte es sich um Schumanns erstes Klaviertrio. Just am Nikolaustag waren ihm dazu die ersten Gedanken gekommen: „Triogedanken“, just bevor er zu einem Kammermusikabend bei Freund Mendelssohn aufbrach, der Schumanns Klavierquartett und Klavierquintett spielte. Dadurch wurde der Komponist so beflügelt, dass er schon einen Tag später den ersten Satz des Trios fertig stellte und schon „Vieles im Scherzo“ entwarf. Noch hatte Schumann im Sinn, ein reguläres viersätziges Klaviertrio zu schreiben. Am 11. Dezember war es „fast beendigt“. Dann aber drängten sich die Vorbereitungen zum Fest und ein mehrtägiges „Unwohlsein“ dazwischen. Schumann schrieb am Trio nurmehr kursorisch weiter und konnte es erst nach Weihnachten vollenden. Das Originalmanuskript lässt deutliche Spuren der mühevollen Arbeit am Finale erkennen.

Phantasiestücke Opus 88

Seinem weihnachtlichen Klaviertrio gegenüber blieb Schumann lebenslang skeptisch. Als er Ende Dezember 1842 den Titel daraufsetzte, nannte er es noch Trio für Pianoforte, Violine und Violoncello. Als er es acht Jahre später zum Druck beförderte, hieß es nur noch Phantasiestücke. Angesichts seiner beiden Klaviertrios in d-Moll und F-Dur, op. 63 und 80, musste ihm der Trio-Erstling genrehaft vorkommen, wie eine Art Potpourri mit loser Tonartenfolge (a, F, d, a/A) und einfachen Tanzformen.

Romanze und Humoreske

Von den widersprüchlichen Empfindungen des Komponisten in der Adventszeit 1842 legen schon die ersten beiden Sätze Zeugnis ab. Der erste Satz ist eine Romanze: „Nicht schnell, mit innigem Ausdruck” erklingt im Klavier eine Art trauriges Wiegenlied zur Weihnachtszeit, dessen Bausteine nach und nach in lauter Kanons aufgelöst werden – getreu der Schumannschen Devise, dass er „alles kanonisch erfinde“. Leider hat der Komponist aus seinem Manuskript vor der Drucklegung eine wunderschöne Coda von 20 Takten gestrichen. Auf dieses Nikolausstück vom 6. Dezember folgt Knecht Ruprecht auf dem Fuß: In den wehmütigen Schluss der Romanze platzt die Humoreske attacca hinein, ein F-Dur-Satz von bärbeißigem Humor, der immer wieder ins Gespenstische umschlägt. Formal ist dieses Scherzo ein Unikum: Statt dem Hauptteil ein einziges Trio folgen zu lassen, hat Schumann deren fünf geschrieben, die alle ineinander übergehen, bevor der Hauptteil wiederkehrt.

Duett und Finale

Den langsamen Satz nannte Schumann Duett und schuf damit eines der schönsten Genrestücke der romantischen Kammermusik. In innigem Zwiegespräch singen Violine und Violoncello einander die schönsten Melodien zu, während das Klavier sanft wogend begleitet. Ob sich dahinter eine Liebeserklärung an seine Frau Clara zum Weihnachtsfest verbirgt? Ein Ehezwist hatte das Ende des „Kammermusikjahrs“ 1842 überschattet. Zu Weihnachten stellte Schumann die innige Zweisamkeit auch musikalisch wieder her. Darauf folgt wieder ein plötzlicher Umschlag in ruppige Töne: Das Finale ist ein Marsch in a-Moll, zweiteilig mit Wiederholungen, der anschließend variiert wird. Im dreiwöchigen Ringen um diesen Satz hat Schumann etliche Variationen wieder gestrichen. Von den zahllosen Strichen und Querverweisen ist das Manuskript beinahe entstellt. Offenbar war er diese Unentschiedenheit, die seine Skepsis gegenüber dem gesamten Trio begründete. Es könnte durchaus reizvoll sein, die Phantasiestücke Opus 88 einmal in der ungekürzten Urfassung zu spielen – mit der Coda des ersten Satzes und allen gestrichenen Variationen des Finales. Vielleicht wäre das Stück dann noch weihnachtlicher als in der geläufigen Fassung.

Zum Hören:

Schumann, Vier Fantasiestücke für Klaviertrio, op. 88, The Alexander Trio, live in der Zuker Hall, Tel Aviv, Februar 2019 (Nitai Zori, Violine; Ella Toovy, Violoncello; Michal Tal, Klavier)

https://www.youtube.com/watch?v=1wuD7n-CTHM