Silvester in Salzburg
Mit Mozart geht die Villa Musica ins neue Jahr. Mit seinem Klavierquartett KV 478 bereitete er schon zum Jahreswechsel 1785/86 seinem Vater und seiner Schwester eine besondere Freude.
Die Mozarts Ende 1785
Wie Wolfgang Amadeus Mozart das Jahresende 1785 in Wien feierte, ist leider nicht überliefert. Seine sämtlichen Briefe aus jenen Monaten sind verloren gegangen, so dass man über seinen Silvesterabend mit Frau Constanze und dem 15 Monate alten Sohn Carl nur spekulieren kann. Immerhin lässt sich Einiges über seine Aktivitäten aus der Korrespondenz zwischen seinem Vater Leopold und seiner Schwester Nannerl entnehmen.
Daheim im Salzburger Wohnhaus am Hannibalplatz war es still geworden um den verwitweten Familienvater Leopold. Er litt zunehmend unter Einsamkeit, seit seine Tochter den Freiherrn Berchtold zu Sonnenburg geehelicht hatte und nach St. Gilgen am Wolfgangsee umgezogen war. Dort lebte „Nannerl“ Mozart mit ihrem Ehemann just in jenem Haus, in dem einst ihre verstorbene Mutter zur Welt gekommen war. Der Vater bekämpfte die Einsamkeit, indem er das neu geborene Söhnchen seiner Tochter zu sich nahm und sich mit aller Erfahrung des Pädagogen um seinen Enkel kümmerte. Schon dieser Umstand sorgte für dauernde Korrespondenz zwischen dem Großpapa und der Mama des kleinen „Leopoldl“. Am 29. Dezember 1785 gingen Neujahrsgrüße von Salzburg nach St. Gilgen: „Der Leopoldl befindet sich, Gott lob, wohl, und wünschet euch allen, sammt mir und unserer ganzen Hofstatt ein glückseeliges Neues Jahr.“
Musikgaben aus Wien
Auch Musik spielte in Leopolds Briefen an seine Tochter eine Dauerrolle: der Spielplan des Salzburger Theaters, die Gastspiele reisender Solisten und gelegentlich auch Neuigkeiten aus Wien, wenn sich der schreibfaule Herr Sohn wieder einmal gemeldet hatte. Wolfgangs Briefe waren stets mit musikalischen Übersendungen verbunden, die sofort an seine Schwester in St. Gilgen weitergereicht wurden.
Vor Weihnachten 1785 fielen die Musikgaben besonders reichhaltig aus. Wolfgang übersandte seine beiden neuen Klavierkonzerte in d-Moll und C-Dur KV 466/467, deren Uraufführungen der Vater im Frühjahr in Wien miterlebt hatte, dazu zwei taufrische Notendrucke aus der Presse der Wiener Musikverlage: seine sechs Haydn gewidmeten Streichquartette und ein „quartett mit dem Clavier, Violino, Viola, und Violoncello obligato“, wie Leopold Mozart es nannte – das g-Moll-Klavierquartett KV 478. Während der Vater mit Streicherfreunden in Salzburg vor allem die sechs Streichquartette des Sohnes mit Begeisterung spielte, interessierte sich Nannerl als virtuose Pianistin vor allem für das Klavierquartett. Mit den neuen Werken hatte Mozart seinem Vater und seiner Schwester ein fröhliches Weihnachtsfest und einen festlichen Jahresausklang beschert.
Klavierquartett g-Moll, KV 478
In St. Gilgen sorgte Mozarts Schwester für professionelle Aufführungen des g-Moll-Klavierquartetts mit ihr selbst am Flügel. Keine Pianistin war über die Intentionen des Bruders besser informiert als sie, keine hätte ein solches Quartett schöner spielen können. Was dagegen andernorts geschah, wenn dieses „viel bemeldete Kunstwerk“ in die Hände „naseweiser Dilettanten“ fiel, hat ein entnervter Zeitgenosse berichtet: „Beinahe wo ich auf meyner Reise hinkam, und in einige Concerte eingeführt wurde, kam ein Fräulein, oder eine stolzirende bürgerliche Demoiselle, oder sonst ein naseweiser Dilettante mit diesem Quartett angestochen, und prätendierte, daß es goutirt würde. Es konnte nicht gefallen; alles gähnte vor Langerweile über dem unverständlichen Tintamarre von vier Instrumenten, die nicht in vier Takten zusammen passten ... Welch ein Unterschied, wenn dieses viel bemeldete Kunstwerk von vier geschickten Musikern höchst präcis vorgetragen wird! Aber freylich ist hiebey an keinen Eclat, an keinen glänzenden Mode-Beyfall zu denken.“
Mozart hatte sich hier so kompromisslos dem düsteren Charakter der Tonart g-Moll überlassen wie in den folgenden Jahren nur noch im Streichquintett KV 516 und der großen g-Moll-Sinfonie. Äußere Gründe dafür gab es keine, vielmehr verdanken wir dieses Quartett einer Zwangspause in der Arbeit an seiner Opera buffa Die Hochzeit des Figaro. Weil die Wiener Primadonna Nancy Storace wegen ihrer Schwangerschaft und massiver stimmlicher Probleme für mehrere Monate pausieren musste, stockte die Arbeit an der Oper. In der Zwischenzeit konnte sich Mozart dem Auftrag seines Wiener Verlegerfreundes Franz Anton Hoffmeister zuwenden, drei Quartette für Klavier und Streicher zu schreiben. Komponiert wurde vorerst nur das g-Moll-Quartett, das sich bald als zu schwierig und zu sperrig herausstellte. Was dann geschah, hat Constanze Mozart ihrem zweiten Ehemann Johann Nikolaus von Nissen erzählt, der darüber in seiner Mozart-Biographie berichtete: „Mozarts erstes Clavier-Quartett, Gb, sprach anfangs so wenige an, das der Verleger dem Meister den vorausbezahlten Teil des Honorars unter der Bedingung schenkte, dass er die zwei accordirten Quartette nicht schrieb und Hoffmeister seines Contractes entbunden wäre.“ Tatsächlich überließ Hoffmeister die schon gestochene Geigenstimme des zweiten Klavierquartetts in Es-Dur, KV 493, seinem Konkurrenten Artaria – Hauptsache, er wurde diese unliebsamen Stücke los. Ein drittes Klavierquartett hat Mozart nicht mehr geschrieben.
Zum Hören:
Mozart: Klavierquartett g-Moll, KV 478 mit zwei israelischen Streichern, die schon als Dozenten bei Villa Musica gastierten: dem Geiger Hagai Shaham und dem Cellisten Zvi Plesser. Am Klavier: Asaf Zohar, an der Viola Zvi Carmeli.