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Ein jüdischer Vater feiert Chanukka mit seinen Kindern, anonymes Gemälde aus dem 18. Jahrhundert (Public domain, via Wikipedia).

Chanukka und Tochter Zion, 14.12.

Wenn Christen im Advent das Lied Tochter Zion singen, denken sie kaum daran, dass Händel mit diesem Gesang urprünglich den Urheber des jüdischen Chanukka ehren wollte: den Feldherrn Judas Makkabäus. 

Chanukka und Judas Makkabäus

Von heute Abend, 14. Dezember, bis kurz vor Weihnachten feiern die jüdischen Gemeinden Chanukka oder Hanukkah, das Fest der Lichter. Es erinnert alljährlich daran, dass der Feldherr Judas Makkabäus nach Jahren der Entweihung des Tempels von Jerusalem dort im Jahre 164 v. Chr. wieder den siebenarmigen Leuchter erstrahlen ließ – ein Licht der Hoffnung für die unterdrückten Juden im hellenistischen Reich der syrischen Herrscher.

„Eight crazy nights“

Die griechische Dynastie der Seleukiden hatte von Antiochia aus heidnische Kulte in den Tempel importiert – eine Entweihung, die der Makkabäer nach gewonnenen Schlachten rückgängig machte. Als jedoch die Tempelpriester den siebenarmigen Leuchter wieder entzünden wollten, fanden sie nur noch Öl für einen einzigen Tag vor. Auf wundersame Weise brannte die Menora dennoch volle acht Tage, bis neues Öl eintraf. Deshalb feiert man Chanukka acht Tage lang und beginnt mit der Erleuchtung der Chanukkia, des acht- oder neunarmigen Chanukka-Leuchters. Wie singt Adam Sandler so schön in seinem Hanukkah Song?

„Hanukkah is the festival of lights. Instead of one day of presents we have eight crazy nights."

(„Hanukkah ist das Fest der Lichter. Statt einem Geschenktag haben wir acht verrückte Nächte.“)

Der Filmstar aus Brooklyn zählte in seinem neuen Hanukkah Song alle Namen von Hollywood-Stars auf, die jüdisch oder halbjüdisch sind und waren. Auch im London des 18. Jahthunderts hatten jüdische Geschäftsleute im Show Business ein erhebliches Wort mitzureden. Nicht zuletzt deshalb, aber auch aus einem aktuellen politischen Anlass entschloss sich Georg Friedrich Händel 1746, über die Geschichte des Judas Maccabäus ein Oratorium zu schreiben. Er dachte dabei an einen gefeierten Feldherren aus dem englischen Königshaus – den Duke of Cumberland –, aber auch an sein jüdisches Publikum. Mit Judas Maccabaeus schuf er für die jüdischen Kaufleute in London eine klingende Geschichte ihres Chanukka mit dem ersten aller Lichterfeste im dritten Akt. Dass just ein Festgesang aus diesem Oratorium im 19. Jahrhundert zu dem deutschen Adventslied „Tochter Zion, freue dich“ wurde, ist eine schöne Verknüpfung jüdischer und christlicher Heilserwartungen gegen Ende des dunklen Dezember.

Siegesruf für einen jüdischen Helden

Im Juni 1746 bereitete der Duke of Cumberland, der Lieblingssohn von King George II, dem Feldzug des „Bonnie Prince Charlie“, des Kronprätendenten aus dem Hause Stuart, und dem erfolgreichen Vorstoß der Schotten ins englische Kernland ein grausames Ende in der unfassbar blutigen Schlacht bei Culloden. Die Londoner, im Vorjahr noch von Panik ergriffen, waren erleichtert – und George Frideric Handel, seit 1727 naturalisierter Engländer, erkannte sofort die Chance, mit seinen Oratorien das patriotische Hochgefühl zu befeuern. 1746/47 schrieb er seine drei so genannten „Kriegsoratorien“: das Occasional OratorioJudas Maccabaeus und Joshua. Alle drei Werke verherrlichen Befreier des Volkes Israel von der Unterdrückung – eine unzweideutige Anspielung auf den Duke of Cumberland und das nationale Hochgefühl der Engländer. Die Tragödie der Schotten dabei auch nur in den Blick zu nehmen, wäre angesichts der Hexenjagd, die in London anno 1746 auf alle Sympathisanten der Stuart-Könige veranstaltet wurde, unmöglich gewesen.

In zwei der besagten Oratorien verwendete Händel einen Triumphgesang der befreiten Israeliten, der den Londonern sofort in Fleisch und Blut überging: „See, the conq’ring hero comes“, der Begrüßungschor des dankbaren Volkes zum Einzug des Siegers. Händel hatte ihn zuerst für das Oratorium Joshua geschrieben, dann aber 1748 nachträglich in sein früheres Oratorium über den Makkabäer verpflanzt, was den Ruhm dieses Satzes erst begründete. Denn Judas Maccabäus gehörte schon ab dem späten 18. Jahrhundert zu Händels meistgespielten Oratorien, auch auf dem Kontinent. Die martialischen Bilder des Textes hat Händel in die reizende Melodie eines Rigaudon gekleidet und zunächst von Jüngligen und Jungfrauen getrennt singen lassen, zu ganz leichter Instrumentierung, bevor das prachtvolle Tutti einsetzt:

CHORUS OF YOUTHS

See, the conqu’ring hero comes!
Sound the trumpets, beat the drums.
Sports prepare, the laurel bring,
Songs of triumph to him sing.

CHORUS OF VIRGINS

See the godlike youth advance!
Breathe the flutes, and lead the dance;
Myrtle wreaths, and roses twine,
to deck the hero’s brow divine.

Adventslied aus Franken

Es dauerte beinahe 80 Jahre, bis aus diesem Begrüßungschor für den Kriegsfürsten Judas eine Begrüßung des Friedensfürsten Jesus wurde – fern von England, in Mittelfranken. Es war Friedrich Heinrich Ranke, ein progressiver evangelischer Theologe aus Thüringen, der dem Eroberer-Chor Händels den weitaus friedlicheren geistlichen Text unterlegte. In Wiehe an der Unstrut geboren, ging er zum Studium zunächst nach Jena und wurde dort zum Anhänger des „Turnvaters“ Jahn, des Philosophen Fichte und anderer Vordenker des 19. Jahrhunderts. Nach dem ersten Examen verschlug es ihn nach Franken, das seine Wahlheimat bis zum Lebensende blieb. Als Pfarrer im mittelfränkischen Rückersdorf bei Nürnberg richtete er sein Augenmerk auf das Eindeutschen englischer Liedvorlagen. Zunächst schuf er für das „Adeste fideles“ mit der berühmten Melodie des Engländers John Wade den deutschen Text „Herbei, o ihr Gläubigen“. Dann kam ihm der geniale Gedanke, Händels Jubelchor aus Judas Maccabäus in ein Kirchenlied umzuwandeln, ursprünglich gedacht zum Palmsonntag, als Musik zum Einzug Jesu in Jerusalem:

ZUM PALMSONNTAGE

Tochter Zion freue dich,
Jauchze laut, Jerusalem!
Sieh, dein König kömmt zu dir
Ja, er kömmt, der Friede=Fürst,
Tochter Zion freue dich,
Jauchze laut, Jerusalem!

Hosianna, Davids Sohn!
Sey gesegnet deinem Volk!
Gründe nun dein ew’ges Reich,
Hosianna in der Höh!
Hosianna, Davids Sohn!
Sey gesegnet deinem Volk!

Es war wiederum Louise Reichardt, die älteste Tochter des bekannten Berliner Komponisten und Publizisten, die Rankes Text mit Händels Melodie zuerst drucken ließ: 1826 in ihrer Sammlung Christliche liebliche Lieder. Nur ganz allmählich wanderte das Lied danach in Gesangbüchern der Zeit von der Karwoche in den Advent.

Zum Hören:

Adam Sandler mit seinem Hanukkah Song 1994 im amerikanischen Fernsehen:

https://www.youtube.com/watch?v=KX5Z-HpHH9g

„See the conquering hero comes“ aus Judas Maccabäus mit der Handel Oratorio Society und der Capilla Real de Madrid unter Óscar Gershensohn:

https://www.youtube.com/watch?v=WnuGOs1FmP0

„Tochter Zion, freue dich“ aus der Frauenkirche in Dresden mit Kreuzchor, Staatskapelle, Magdalena Kozena und Thomas Hampson, Leitung: Christoph Eschenbach

https://www.youtube.com/watch?v=y9o2M7jHnlE