Brahms-Sonaten
Brahms mit Herz und Seele: Marc Bouchkov und Filippo Gorini mit den drei Violinsonaten – in Bad Neuenahr, Mainz und Landau.
Brahms mit Herz und Seele
von Karl Böhmer
Wer den Geiger Marc Bouckov noch als Stipendiaten der Villa Musica erleben durfte, konnte schon damals seine außergewöhnliche Begabung und Bühnenpräsenz, seine Reife und Gestaltungskraft registrieren. Samstagabend zeigte der frisch gekürte Violinprofessor der Folkwang Universität der Künste in Essen seine ganze Palette an Farben, seine technische Meisterschaft und – zusammen mit dem italienischen Pianisten Filippo Gorini – eine expressive Durchdringung der Musik, wie man sie in den Violinsonaten von Brahms nur von den Besten hören kann.
Der kleine Saal in der Villa Musica in Mainz war bis auf den letzten Platz gefüllt und direkt nach einem schweren Gewitter ein klimatisch schwieriges Ambiente. Doch Bouchkov und Gorini ließen sich vom Kern der Musik nicht ablenken. Mit dem butterweichen Anschlag des Gililov-Schülers legte Gorini den Klanggrund für das hinreißend schöne Violinthema, das die G-Dur-Sonate von 1878 eröffnet. Seine Klavierversionen dieses Themas verwandelte der Beethoven-Preisträger aus Bergamo in so delikate Klangtrauben, überreif und voll im Bouquet, dass man aus dem Staunen gar nicht mehr herauskam. Bouchkov legte seine wunderschönen Geigentöne nicht über den Klavierklang, sondern hinein – bezaubernd schön im berühmten Seitenthema, sanft wogend in der Schlussgruppe. Wie die beiden danach den Riesenbogen der Durchführung in einem Atem gestalteten, wie sie aus der Reprise des Hauptthemas und der Coda das Letzte an schmachtender Schönheit herausholten und ganz leise schlossen, war schlicht meisterlich. Dabei nahmen sie sich viel Zeit für Brahms – fürs Einschwingen der Themen wie für die Feinheiten der Übergänge. Dadurch gelang ihnen auch im Es-Dur-Adagio der angemessene Duktus für ein Epitaph, wie es Brahms hier seinem 1879 verstorbenen Patensohn Felix Schumann ins Grab nachsandte. Klug gestaltet und zu Tränen rührend war dieser Satz, vom ersten Augenaufschlag des Klavierthemas über den grüblerischen Einstieg der Violine bis zum vollen Erblühen der Es-Dur-Melodie in der schönsten Geigenlage, vom Trauermarsch über die Doppelgriff-Reprisen der Violine bis zum tränenseligen Schluss. Im Regenlied-Finale spannen die beiden Interpreten die Fäden der ersten beiden Sätze kongenial weiter, ruhig, fein ausziseliert und am Ende alles zum geschlossenen Bild zusammenfügend. Schöner habe ich diese Sonate noch nie gehört.
Die sonst so lieblich unscheinbare A-Dur-Sonate von 1886 packten die beiden Musiker eher von der heiter draufgängerischen Seite an. Hier ging es weniger um die heimlichen Liebesgeständnisse des Komponisten an die Wiesbadener Sängerin Hermine Spies als um den wackeren Mit-Fünfziger Brahms, der seine Sommerfrische am Thuner See im Berner Oberland in vollen Zügen genoss. Tänzerisch beschwingt, mit Verve auch in den schnellen Abschnitten des Mittelsatzes, eher rhythmisch als melodisch zart besaitet kam diese A-Dur-Sonate daher. Vor Jahren hatte Marc Bouchkov dieses Stück schon einmal im Konzertsaal der Villa Musica gespielt, auch bei großer Hitze, damals noch als Stipendiat der Stiftung und begleitet vom Professor Andrew Harley. Nun ist er selbst Professor, ein weltweit gefeierter Geigenvirtuose und in seinem Brahms so gefestigt, dass seine kesse Neudeutung der A-Dur-Sonate beim Publikum für spontane Begeisterung sorgte.
Dass sich nach dem stürmischen Finale der d-Moll-Sonate dann auch Bravo-Rufe einstellten, war angesichts der wuchtig-virtuosen Klänge fast zu erwarten. Doch auch hier suchten Bouchkov und Gorini eher den Melancholiker Brahms zwischen den Klangwogen dieser sehr ungarischen Sonate von 1889. Das himmlische D-Dur-Adagio, das sie als Zugabe wiederholten, sprach Bände: Marc Bouchkov und Filippo Gorini wollten einen Brahms mit Herz und Seele gestalten, nicht den kantigen Meister der „tönend bewegten Formen“. Es ist ihnen restlos gelungen. Bravissimi!
Freitag, 2.5., 19:30 Uhr – Augustinum Bad Neuenahr
Samstag, 3.5., 19 Uhr – Villa Musica Mainz
Sonntag, 4.5., 11 Uhr – Altes Kaufhaus Landau
Marc Bouchkov und Filippo Gorini
Johannes Brahms:
Violinsonate Nr. 1 G-Dur, op. 78
Violinsonate Nr. 2 A-Dur, op. 100
Violinsonate Nr. 3 d-Moll, op. 108