Klavierherbst 2025
Drei Preisträger der Telekom Beethoven Competition, drei hoch anspruchsvolle Programme, dreimal Begeisterung pur – der Klavierherbst 2025.
Klavierherbst Schloss Engers 2025
Feiertagswochenende der großen Pianisten am Rhein: Vom 31. Oktober bis 2. November gastierten drei Preisträger der Telekom Beethoven Competition Bonn im Dianasaal. Wie im Vorjahr wurde der Klavierherbst von der Deutschen Telekom großzügig unterstützt und war ein Klavier-Triptychon von beeindruckender Klangwucht und berückender Farbenvielfalt.
31.10. Edith Piaf und queere Klavierkunst: David Kadouch
Im ersten „queeren“ Klavierabend der Villa Musica-Geschichte spielte der französische Starpianist David Kadouch aus Nizza Werke von vier schwulen Komponisten und zwei lesbischen Komponistinnen. Obwohl manch eine(r) in den Dianasaal gekommen sein mag, der hinter dieser Ankündigung zu viel Zeitgeist ohne Bezug zur Musik vermuten mochte, dürfte spätestens durch Kadouchs engagierte Moderationen klar geworden sein, worum es ihm ging und warum auch die Musik von der Liebe ihrer Schöpfer beeinflusst war. Wenn die Engländerin Ethel Smyth als Musikstudentin in Leipzig ein „Klavierstück E. v. H.“ schreibt, um ihrer großen Liebe Elisabeth von Herzogenberg zu huldigen, oder wenn der Pariser Francis Poulenc anno 1940 sein Stück „Melancholie“ seinem von den Nazis bedrohten Lebensgefährten widmet, ist die Verbindung zwischen Biographie und Musik evident. Dieser zauberhafte Abend hatte aber noch andere Themen. Der „Spatz von Paris“ bezauberte das Publikum im Dianasaal auch ganz ohne ihren durchdringenden Gesang: die Hommage an Edith Piaf von Francis Poulenc war sicher das bezaubernste Klavierstück, das David Kadouch im Dianasaal vortrug – klangsinnlich, voller Salonduft und weicher melodischer Zeichnung. Es war bei weitem nicht das einzige stimmungsvolle Herbst-Impromptu an diesem schönen Herbstabend: Was Ethel Smyth und die Polin Wanda Landowska auf die Tasten bannten, verbreitete in Kadouchs feinen Interpretationen ebenso farbenreichen Blätterzauber wie die Klavierstücke von Reynaldo Hahn – Schöpfer der schönsten Melodien im Paris der Jahrhundertwende und für zwei Jahre der Lebensgefährte des Dichters Marcel Proust. Die Werke dieser Randfiguren der gängigen Klavierliteratur offenbarten in Kadouchs Vortrag so viel Liebespoesie und tänzerische Grazie, dass man diesen Abend sicher nicht so schnell vergessen wird. Dazu trugen auch die virtuosen Höhepunkte bei: die kleine Schwanensee-Paraphrase von Earl Wild und die große Ausschmückung des Blumenwalzers von Percy Grainger sowie zum Abschluss die grandiosen Variationen über ein polnisches Volksthema vom jungen Karol Szymanowski. 2005 war David Kadouch Preisträger bei der Telekom Beethoven Competition Bonn und hat seitdem durch sein Charisma, sein poetisches Spiel und seine originellen Programme Weltkarriere gemacht. In Schloss Engers konnte man spüren und hören, warum.
Ethel Smyth: Klavierstück in E-Dur, Nocturne, Aus der Jugendzeit
Reynaldo Hahn: Décrets indolents du hasard (aus Le ruban dénoué)
Adieux au soir tombant (aus Versailles)
Anton van Dyck (aus Portraits des peintres nach Marcel Proust)
Ninette (aus Premières Valses)
Wanda Landowska: Herbstnacht, Walzer e-Moll, Feu follet
Pjotr I. Tschaikowsky: Schwanensee (Arr. Earl Wild)
Paraphrase über den Blumenwalzer (Percy Grainger)
Francis Poulenc: Hommage à Edith Piaf, Mélancolie
Karol Szymanowski: Variationen über ein polnisches Volksthema, op. 10
1.11. Beethoven und Prokofjew: Cunmo Yin
Der Chinese Cunmo Yin lehrt als Professor an der Musikhochschule Hannover und gewann 2019 den 1. Preis bei der Telekom Beethoven Competition Bonn. Hoch dramatisch ging es an Allerheiligen zu, als er die Sonatenmeister Beethoven und Prokofjew einander gegenüberstellte: Vor der Pause spielte er Beethovens „Sturmsonate“ und die letzte Klaviersonate Opus 111, nach der Pause die siebte Prokofjew-Sonate, komponiert im Mai 1942, als die Invasion der Wehrmacht die Russen zum Kampf ums Überleben zwang. Wuchtige Themen und Klangstürme allenthalben, dazwischen zarte Klaviergesänge von einer Reinheit und Feinheit, wie sie nur ein Meisterpianist gestalten kann.
Ludwig van Beethoven: Klaviersonate d-Moll, op. 31 Nr. 2 („Sturmsonate“)
Klaviersonate c-Moll, op. 111
Sergei Prokofjew: Vier Etüden, op. 2
Klaviersonate Nr. 7 B-Dur, op. 83 („Stalingrad“)
2.11. Liszt und Finnland: Henri Sigfridsson
Auch der Finne Henri Sigfridsson war in Bonn erster Preisträger, und zwar bereits 2005. Im Dianasaal von Schloss Engers setzte er an Allerseelen fast ganz auf die Faszination von Franz Liszt: in Liedparaphrasen nach Schubert und Schumann, im „Liebestraum Nr. 3“ und in drei der mächtigsten Klavierstücke des Meisters: zuerst Lobpreisung Gottes in der Einsamkeit mit Steigerungen wie in Wagners Tristan, danach Funérailles, Liszts Trauerstück auf die Helden der 48er Revolution in Ungarn, und schließlich Cantique d'Amour, ein Hochgesang auf die Liebe, der schon den Abbé Liszt der römischen Jahre erahnen lässt. Dazwischen spielte Sigfridsson einen der größten Klavierzyklen seiner finnischen Heimat: Der Garten des Todes von Leevi Madetoja aus dem Jahr 1921 – ein vergessenes Meisterwerk des Jugendstils in Form von drei Trauerstücken, die der Komponist auf seinen gefallenen Bruder und andere Opfer der Wirren von 1916-1918 komponiert hat.
Franz Liszt: Liebestraum Nr. 3
Zwei Liedtranskriptionen (Ständchen nach Schubert, Widmung nach Schumann)
Leevi Madetoja: Kuoleman Puutarha (Der Garten des Todes), Suite op. 41 (1921)
Sergei Rachmaninow: Zwei Transkiptionen nach Fritz Kreisler (Liebesleid und Liebesfreud)
Franz Liszt:
Drei Sätze aus den Harmonies poétiques et religieuses
Nr. 3 Bénédiction de Dieu dans la solitude
Nr. 7 Funérailles
Nr. 10 Cantique d’amour