Wie Mozart selbst am Hammerflügel: Florian Birsak im g-Moll-Klavierquartett, KV 478, in Schloss Engers fotografiert von Herbert Piel, heute Abend im Mainzer Landesmuseum zu erleben.

Mozart am Rhein

Florian Birsak vom Mozarteum Salzburg gestaltete mit jungen Streicher*innen der Villa Musica und jungen Sängerinnen drei „Akademien“ wie zu Mozarts Zeiten am Rhein: Kammermusik und Vokalwerke im steten Wechsel.

Mozart in Mainz

Für viele Zuhörerinnen und Zuhörer im Mainzer Publikum war es eine Premiere: Kammermusik von Mozart im Wechsel mit italienischen Arien. Zu Mozarts Zeit war diese Mischung an der Tagesordnung: keine „Akademie“, sprich: kein öffentliches Konzert ohne italienische Arien. Das Eine befruchtet das Andere. Plötzlich wird das Andante aus Mozarts Klavierquartett KV 478 selbst zur Arie; auf den stürmischen g-Moll-Kopfsatz des Mozart-Meisterwerks antwortet eine nicht minder dramatische g-Moll-Arie des Mainzer Hofkapellmeisters Vincenzo Righini. Regisseur dieses Dramas war der Salzburger Fortepiano-Professor Florian Birsak. Am Nachbau eines Hammerflügels von Walther, wie ihn auch Mozart gespielt hat, agierte er so brillant, umsichtig, fein, gewandt und fantasiereich, dass alle sechs Kammermusik-Sätze von Mozart tatsächlich zur Klangrede wurden. Im selten gespielten E-Dur-Klaviertrio KV 542 reagierten die beiden Villa Musica-Stipendiatinnen Gaëlle Spieser und Marilies Guschlbaur an Geige und Cello so subtil auf Birsaks Klavierspiel, dass man jeden der drei Sätze wie ein kleines Wunder an Esprit und Ausdruckskraft bestaunen durfte. Es war die intensive Mitte des langen Programms, während das Finale von KV 478 mit Claudio Laureti an der Bratsche als perfekter Kehraus diente.

Bravos für die Arien

Davor zeigten drei wundervolle Sängerinnen von der Mainzer Musikhochschule ihre Kunst in den unterschiedlichsten Szenen: Die israelische Mezzosopranistin Shai Terry schlüpfte in die Rolle des Kreuzritters Rinaldo, der im Zaubergarten der Armida, bezirzt von verliebten Träumen, einschläft. Wie zart sie Righinis rührende Melodie in die Steinhalle hauchte und wie fein Florian Birsak die Klangvaleurs seines Hammerflügels beim Einschlafen des Rinaldo einfärbte – das entlockte den Zuhörern spontane Glücksseufzer. Ebenso unmittelbar klangen die Bravos nach der dramatischen Trennung von Rinaldo und Armida, gesungen von Shai Terry und Yuuki Tamai. Die japanische Sopranistin lieferte danach ihr Meisterstück in Mozarts großem B-Dur-Rondò KV 490, getragen von der brillanten Solovioline der Französin Gaëlle Spieser - ein wundervoller Dialog zwischen zwei jungen Musikerinnen, zwischen Kammermusik und Belcanto. Die dänische Mezzosopranistin Jara Kanzler Hemmet gestaltete ein großes Rondò des Neapolitaners Angelo Tarchi mit all dem Zauber, den einst die Mainzer Primadonna Josepha Hellmuth in solche Stücke hineinlegte. Viel Applaus für alle drei Sängerinnen, die von Claudia Eder intensiv auf ihre Auftritte vorbereitet wurden.

Der Glanz des alten Mainz

An diesem Abend war man ganz nahe am Glanz des Mainzer Musiklebens anno 1790, als Mozart im Kurfürstlichen Schloss sein großes Konzert vor Friedrich Karl Joseph von Erthal gab. Klaus Pietschmann, der Mainzer Ordinarius für Musikwissenschaft, hat diesem Thema vor knapp drei Jahren eine wunderbare Tagung gewidmet, die sich im Kongressbericht nachlesen lässt. Die Landesstiftung Villa Musica hat die Erkenntnisse der Forscher nun in ein prachtvolles Konzertprogramm umgesetzt, pünktlich zum Landesjubiläum 75 Jahre Rheinland-Pfalz. Dabei wurde auch hörbar, wie gut man sich im Mainz der Mozartzeit auf die vokale Kammermusik verstand. Die sechs italienischen Kanzonetten des Mainzer Hofkaplans und Klaviervirtuosen Franz Xaver Sterkel waren die intime Entdeckung des Abends: kleine feine Szenen mit schönen Klaviernachspielen wie im Kunstlied. Es gäbe noch VIeles zu entdecken in der Mainzer Musik rund um Mozart. Auch diese Erkenntnis nahmen die beglückten Zuhörerinnen und Zuhörer mit nachhause. Manch einer mag sich sogar gefragt haben, wann die wundervolle Armida von Righini, die einzige Mainzer Opera seria jener Epoche, endlich in Mainz auf die Opernbühne kommt …

Mozartakademie 2022 in Kooperation mit den Europäischen Mozartwegen

Freitag, 29.4., 19 Uhr – Schloss Engers Neuwied, Dianasaal
Samstag, 30.4., 19 Uhr – Landesmuseum Mainz, Steinhalle
Sonntag, 1.5., 11 Uhr – CongressForum Frankenthal

Florian Birsak, Dozent am Hammerflügel
Junge Streicher*innen der Villa Musica
Junge Sängerinnen der Musikhochschule Mainz (Einstudierung: Claudia Eder)

Programmfolge

W. A. Mozart: Allegro aus dem Klavierquartett g-Moll, KV 478
Gaëlle Spieser, Violine | Claudio Laureti, Viola | Marilies Guschlbauer, Violoncello
Florian Birsak, Hammerflügel

Muzio Clementi: Zwei italienische Arietten für Francesco Ceccarelli
Angelo Tarchi: Recitativo e Rondò aus L’arbore di Diana

Jara Kanzler-Hemmet, Mezzosopran | Florian Birsak, Hammerflügel

Mozart: Andante aus dem: Klavierquartett g-Moll, KV 478

Vincenzo Righini: Scena di Rinaldo aus Armida (Mainz 1789)
Shai Terry, Mezzosopran | Florian Birsak, Hammerflügel

Scena di Armida e Rinaldo aus Armida (Mainz 1789)
Yuuki Tamai, Sopran | Shai Terry, Mezzosopran | Florian Birsak, Hammerflügel

Pause

Mozart: Klaviertrio E-Dur, KV 542
Gaëlle Spieser, Violine | Marilies Guschlbauer, Violoncello
Florian Birsak, Hammerflügel

Mozart: Rondò „Non temer, amato bene“ für Sopran und Violine, KV 490
Yuuki Tamai, Sopran | Gaëlle Spieser, Violine | Florian Birsak, Hammerflügel

Franz Xaver Sterkel: Sei Canzonette, op. 34
Jara Kanzler-Hemmet, Mezzosopran
Shai Terry, Mezzosopran

Mozart: Rondo aus dem Klavierquartett g-Moll, KV 478
Streicherstipendiaten der Villa Musica
Florian Birsak, Hammerflügel