RheinVokal: Monteverdi
Grandioser RheinVokal-Abend in der Sayner Hütte: Monteverdi-Madrigale mit dem spanischen Ensemble Cantoría. Fast ausverkauft und Standing Ovation.
Monteverdi in Venedig – 25.8. in der Sayner Hütte
Von Karl Böhmer
Immer wieder das gleiche Bild: Monteverdi, der „göttliche Claudio“, wie ihn die Zeitgenossen nannten, schwingt den Zauberstab seiner berückend schönen Gesänge, und das Publikum ist auch 400 Jahre nach ihrer Entstehung so fasziniert wie in der ersten Stunde. Dem jungen spanischen Ensemble Cantoría gelang beim Festival RheinVokal ein idealer Monteverdi-Abend, der mit Bravos und Standing Ovation belohnt wurde. Schon das Bild der Bühne in der Gießhalle war eindrucksvoll: Das zehnköpfige Ensemble, in frischen Sommerfarben hell gekleidet, füllte die ganze Bühnenbreite mit mediterranem Flair aus. Ebenso natürlich füllten sie die weite Halle mit wunderschönem Gesang im edlen Originalklang. Das „Recitar cantando“, das Erzählen im Gesang, beherrschen die sechs jungen Stimmen von der iberischen Halbinsel schon fast so perfekt wie ihre italienischen Kollegen. Die vorzüglichen Barockviolinen von Pablo Albarracín und Andrés Murillo taten ein Übriges, um dem Abend Farben und Feuer zu verleihen – kein Wunder bei so erprobten Hits der Frühbarockmusik wie der Bergamasca-Sonate von Uccellini, der Ciaccona von Merula und der Follia von Falconieri. Theorbist Pablo Fitzgerald bewies seine Sonderklasse in einer Toccata und Gagliarda von Kapsperger, in feinen Überleitungen und perkussiver Begleitung zu Monteverdis kriegerischen Madrigalen. Joan Seguí am Cembalo begleitete und lenkte, grundierte und modulierte in meisterhafter Weise.
Über einem solchen Basso continuo lässt es sich leicht singen, wollte man meinen. Freilich bleibt Monteverdi eine Herausforderung, besonders für ein junges Ensemble, das auf spanische Renaissance spezialisiert ist. Die Farben des Quattrocento sind nicht die gleichen wie die Farben eines Rubens, der in Mantua Monteverdis Kollege war, oder das Helldunkel eines Caravaggio. Im ersten Teil brauchten die Sänger eine Weile, bis sie das Musica riservata-Ideal der Renaissance im Klang und Gestus abgestreift hatten. In der Sestina, Monteverdis tief bewegendem Zyklus von sechs Trauermadrigalen, wagten sie mit ihren frischen, hellen, vibratoarmen Stimmen mehr Ausdruck und mehr Freiheit. Inés Alonso ließ im Lamento della Ninfa betörend reine Soprantöne hören, sekundiert vom Männerstimmentrio. Ensemble-Leiter Jorge Losana hat seine schöne Tenorstimme ebenso im Griff wie das gesamte Ensemble, was besonders im mitreißenden zweiten Konzertteil deutlich wurde. Der Stile concitato, Monteverdis venezianische Erfindung, um den erregten Affekt von Krieg und Kampf darzustellen, animierte das Ensemble Cantoría zu Bildlichkeit und Theatralik. Bassist Víctor Cruz konnte mit Stentor-Stimme auftrumpfen, um den Habsburgerkaiser Ferdinando (Ferdinand III.) hochleben zu lassen. Der Altist Oriol Guimerà und der Tenor Gerson Coelho reizten die Dissonanzen in einem Duett aus dem Siebten Madrigalbuch mit Genuss aus. Die beiden Sopranistinnen Inés Alonso und Marta Redaelli antworteten mit bezaubernden Koloraturen in einem zweiten Duett aus der gleichen Sammlung. Am Ende bündelte sich alles im beschwingten Ballo aus Volgendo il ciel. Das Publikum war hingerissen und legte nach der Zugabe noch einen Zahn zu. Denn im Villancico, der typisch spanischen Weihnachtskantate mit ihren feisten Bauern- und Gaunertypen, ihren Folklorerhythmen und Tanzmelodien ist Cantoría ganz zuhause. Das gleiche Auftrumpfen in der theatralischen Pointe werden Jorge Losana und sein Ensemble in Zukunft sicher auch bei Monteverdi an den Tag legen. Für ihr überaus anspruchsvolles Programm war RheinVokal ein idealer Startpunkt.
Sonntag, 25.8., 19 Uhr – Sayner Hütte Bendorf-Sayn
Cantoria (6 Sänger und 4 Instrumentalisten)
Madrigale von Monteverdi: Lamento della Ninfa, Hor che il ciel e la terra, Zefiro torna, Volgendo il ciel, Sestina u.v.m.