Musik in Synagogen
Die israelische Pianistin Roglit Ishay spielte mit zwei Stipendiatinnen jüdische Musik für Klavier, Geige und Cello in rheinland-pfälzischen Synagogen.
Café Music, hebräische Melodien und Tänze der Chassidim
von Karl Böhmer
Unfassbar, was Roglit Ishay mit den Stipendiatinnen Mascha Wehrmeyer und Juliet Wolff am Wochenende aufs Podium zauberte – jüdische Musik in der ganzen Fallhöhe zwischen Kaffeehaus und Theresienstadt, Wiegenlied und Klagegesang, von unerhörter Intensität und packender Virtuosität. Die Pianistin und Komponistin Roglit Ishay aus Israel, ihres Zeichens Professorin in Freiburg, hatte das Programm selbst zusammengestellt – aus den „mehr als 1000 jüdischen Komponistinnen und Komponisten“, die sie bei ihrer Suche nach der Musik ihres Volkes und der Opfer des Holocaust mittlerweile entdeckt hat.
In der ersten Hälfte waren dies drei schwere, unter die Haut gehende Zeugnisse des Rassenwahns: Das Klaviertrio-Lamento des von den Deutschen ermordeten ungarischen Cellisten Pál Hermann war ein fast zu intensiver, zu schwerblütiger Auftakt. Die Cellosonatine der niederländischen Komponisten Rosy Wertheim, die den Nazis nur entkam, weil sie sich Jahre lang versteckt hielt, sorgte danach für aufblühenden Impressionismus – blühend vor allem durch den wunderschönen Klang und die souveräne Gestaltung der jungen Cellistin Juliet Wolff. Was sie in diesem Programm an reiner Notenfülle und musikalischer Gestaltung zu bewältigen hatte, war beinahe übermenschlich. Bravissima!, und das ebenso für ihre Geigen-Kollegin Mascha Wehrmeyer. In den hoch anspruchsvollen Variationen über eine hebräische Melodie von Paul Ben-Haim führte sie so souverän und treffsicher gestaltend, als habe sie dieses fantastisch gute, in Deutschland fast nie zu hörende Klaviertrio des Vaters der israelischen Musik schon ihr ganzes Leben lang gespielt.
Nach der Pause wurde es leichter, eingängiger, atmosphärischer, noch jüdischer: im Wiegendlied des in Auschwitz ermordeten jungen Tschechen Gideon Klein, in der Jewish Fantasy von Roglit Ishay und zwei Chassidischen Tänzen des geborenen Sachsen Zikmund Shul. Im Finale gab es dann kein Halten mehr: Der im Vorjahr verstorbene amerikanische Komponist Paul Schoenfield, ein Trendsetter der jüdischen „World Music“ unserer Zeit, schuf mit seiner Café Music eine laute, wilde, mitreißende Hommage an jüdische Kaffeehaus-Musikanten. Danach war das Publikum in der Neuen Synagoge Mainz aus dem Häuschen – wie zuvor schon in den ehemaligen Synagogen von Ahrweiler und Wittlich. Ein großer Dank an die drei Musikerinnen, die in diesem Programm Übermenschliches geleistet haben.
Fr., 4.4., 19 Uhr – Synagoge Ahrweiler
Sa., 5.4., 19 Uhr – Synagoge Wittlich
So., 6.4., 17 Uhr – Neue Synagoge Mainz
Rosy Wertheim: Sonatine für Cello und Klavier
Gideon Klein: Lullaby
Paul Ben-Haim: Variations on a Hebrew Melody
Pál Hermann: Klaviertrio
Roglit Ishay: Jewish Fantasy
Zikmund Schul: Chassidik Dance
Paul Schoenfield: Café Music