Klaus Thunemann
Dieser Tage erreichte uns die Nachricht, dass unser langjähriger Fagott-Dozent Klaus Thunemann am 29.8. im Alter von 88 Jahren verstorben ist. Hier ein Nachruf auf den legendären Musiker aus Magdeburg, der sein Instrument soweit vorangebracht hat wie kein anderer seiner Zunft.
Gute Stimmung in der Seele und auf dem Instrument
von Karl Böhmer
Er war ein Mann von imposanter Größe – passend zum Instrument – und von magistraler Ausstrahlung. Dabei hatte der größte deutsche Fagottist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer ein Lächeln auf den Lippen, denn Klaus Thunemann verband den anhaltischen Humor seiner Heimatstadt Magdeburg mit den Berliner Witzen aus seiner Studienzeit beim legendären Willi Fugmann.
Von Thunemann zu sprechen, heißt, von der Bläserelite in der großen Zeit der Klassik zu sprechen – in der Abenddämmerung der altehrwürdigen LP und dem Sonnenaufgang der neu erfundenen CD. Mozarts Quintett für Klavier und Bläser spielte er 1986 mit dem ebenfalls in diesem Jahr verstorbenen Alfred Brendel ein, mit Heinz Holliger, Eduard Brunner und Hermann Baumann. Er war mit Holliger 1973 an der Ersteinspielung der legendären Zelenka-Triosonaten beteiligt, er spielte Mozarts Sinfonia concertante mit Aurèle Nicolet und die großen Fagottkonzerte mit allen führenden Orchestern: Mozart-Konzert unter Marriner, Vivaldi-Konzerte mit I Musici etc. etc.
In den Horizont dieses Weltklasse-Fagottisten trat in den frühen Neunziger Jahren das Ensemble Villa Musica hinein: Ulf Rodenhäuser gelang es, den berühmten Kollegen zwischen 1992 und 2007 für insgesamt zehn Einspielungen zu verpflichten. Es begann gleich 1992 mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik für Hindemiths Oktett. Darauf folgten Janacek und Martinu, Reinecke, Spohr und Strauss, dazu die Musik damals völlig vergessener jüdischer Komponisten wie Gideon Klein. Klaus Thunemann war an einigen der schönsten Einspielungen des Ensemble Villa Musica beteiligt. Natürlich war er es, der in der preisgekrönten Gesamteinspielung aller Hindemithsonaten die Fagottsonate aufnahm, zusammen mit Kalle Randalu am Klavier – das größte Projekt, das vom Ensemble Villa Musica bei der Musikproduktion Dabringhaus und Grimm realisiert wurde.
Unvergessen auch seine Auftritte in Rheinland-Pfalz mit den Kollegen vom Ensemble Villa Musica! Um nur wenige zu nennen: 1993 Spohr-Nonett im Bahnhof Rolandseck, 1994 Denissow-Oktett in der Mainzer Staatskanzlei, im Mai 1995 Schubert-Oktett bei der Einweihung von Schloss Engers als Kammermusik-Akademie, im Oktober 1995 Berwald-Septett in Trier, Frankenthal und Herdorf. Dazu immer wieder Kurs- und Konzert-Projekte mit den Stipendiatinnen und Stipendiaten der Stiftung, denn Klaus Thunemann war ein Pädagoge aus Leidenschaft.
Unterrichten aus Leidenschaft – auch bei Villa Musica
Das Unterrichten und das Musizieren mit der Jugend waren ihm bis ins hohe Alter Berufung und Passion: „Bildung ist kein Produkt, das man kaufen kann wie einen Schokoriegel.“ Nach dieser Devise bildete er in seiner langen Karriere mehrere Generationen von jungen Fagottisten heran: ab 1978 als Professor seiner legendären Fagottklasse in Hannover und nach dem Mauerfall ab 1997 im geliebten Berlin als Professor an der Hanns Eisler-Hochschule am Gendarmenmarkt. Noch als Nestor seiner Zunft gab er seine Erfahrung an die Studentinnen und Studenten zweier Top-Institute weiter: an der Escuela Superior de Música Reina Sofía in Madrid und an der Barenboim-Said Akademie in Berlin.
Kurt Karst, unser langjähriger Geschäftsführer, verbindet mit Klaus Thunemann viele wunderschöne Konzerte, herzliche Begegnungen und vor allem einen unvergesslichen Tag: den 9. November 1989: „Mit Klaus, Günther Passin und anderen Musikern haben wir die Nachricht vom Mauerfall im Thekenraum der Villa Musica in Mainz gehört und vor Freude geweint. Wir konnten es alle nicht glauben! Klaus und Günther waren ja vorher aus der DDR geflüchtet. So viele Erinnerungen!“
Ins Gästebuch der Mainzer Villa Musica schrieb Klaus Thunemann 2005 einen bezeichnenden Satz über unsere Stiftung: „Junge Musiker mit guter Stimmung in der Seele und den Instrumenten und … ein wunderbares Programm.“ Wir danken ihm posthum für alle wunderbaren Programme, die er für die Villa Musica auf so meisterhafte Weise gestaltet hat, und denken mit Freude an die gute Stimmung zurück, die er nicht nur auf dem Podium verbreitet hat.